Heizkennlinie für Heizungen

Dr. Engin Bagda

Einleitung

Mit der Heizkennlinie wird die Vorlauftemperatur T_VL einer Heizung in Abhängigkeit der Temperatur der Luft außen T_außen eingestellt (siehe Abbildung 1).

Die Heizkennlinie beruht auf folgende vereinfachte Gleichung:

\(T_{VL}=T_{20}+N-S \cdot (T_{20}-T_{außen} )^k\)

T_VL:       Temperatur des Vorlaufs.

T₂₀:        Ist 20°C für die Raumlufttemperatur, die in den Regelwerken und Nomen zur
              Berechnung des Wärmebedarfs eines Wohngebäudes vorgegeben wird.

N:           Niveau, Differenz zwichen der gewünschten Temperatur der Raumluft zu 20°C (T₂₀).
               Bei der Werkeinstellung ist im Allgemeinen N=0. N ist der Stellwert für die Temperatur
               der Raumluft bei mittleren Lufttemperaturen außen über 5°C.

S:            Steigung der Heizkennlinie mit abnehmender Lufttemperatur außen. 
               S ist der Stellwert für die Temperatur der Raumluft bei mittleren täglichen
                Lufttemperaturen außen unter 5°C.

T_außen:    Lufttemperatur außen, der per Außenfühler gemessen und an die Heizung übermittelt wird.

k:            Exponent, der von den Wärmeübergängen im Heizkessel beziehungsweise von der 
               Wärmepumpe abhängig ist. Diese wird vom Hersteller der Heizung eingestellt und
               ist im allgemeinen nicht bekannt. 
               k ist immer kleiner als 1, damit die Kurve mit fallender T_außen  flacher wird.

Abbildung 1: Heizkennlinien mit unterschiedlichen S-, N- und k Werten                        
                       schwarz: Niveau N=0, Steigung S= 9 und Koeffizient k=0,4
                      grüne Linie: Niveau N=-2, Steigung S=9 und Koeffizient k=0,4
                      rote Linie:   Niveau N=0, Steigung S= 7 und Koeffizient k=0,4
                      blaue Linie: Niveau N=0, Steigung S=9 und Koeffizient k=0,3
 

Jede Heizung hat eine vom Hersteller eingestellte Heizkennlinie. Diese ist nach der Inbetriebnahme der Heizung durch das Variieren des Niveaus N und der Steigung S neu einzustellen.

Zur experimentellen, iterativen Einstellung der Koeffizienten N und S der Heizkennlinie sind mindestens 2 Messungen an zwei möglichst unterschiedlichen Temperaturen außen T_außen notwendig, da die Heizkennlinie eine Exponentialfunktion ist.

Es ist zu empfehlen, die Einstellung von N bei einer täglichen mittleren Lufttemperatur außen T_außen  über 10°C vorzunehmen, da in diesem Fall (T₂₀ - T_aussen) klein und damit S untergeordnet ist.

Die Einstellung von S sollte bei einer mittleren täglichen Lufttemperatur außen T_außen unter 5°C (je tiefer, umso besser) eingestellt wertden, da in diesem Fall (T₂₀ -T_aussen) groß und damit N untergeordnet ist.

Experimentelle Überprüfung der Heizkennlinie

Die Vorlauf- und Rücklauftemperatur einer Heizung  Brötje, Typ: WGBB 2B.15, Baujahr 2005 wurde bei verschiedenen Lufttemperaturen außen gemessen. Für die Heizungskennlinie sind im Display der Heizung für das Niveau N=0, für die Steigung S=18 und für die Maximaltemperatur T_max: 55°C angegeben.  Der Wärmeübergang im Zweifamilienhaus (2 Etagen) mit insgesamt 220 m² beheizter Fläche findet mit Flachheizkörpern statt, die konvektiv und durch Strahlung Wärme abgeben.

Die Messungen wurden mit einem Arduino durchgeführt. Die Temperaturen wurden mit Sensoren von Dallas Semiconductors DS 18BS20 gemessen. Die Temperatursensoren wurden an den Vor- und Rücklauf der Heizung angebracht und thermisch isoliert (siehe Abbildung 1).
 

Abbildung 1: Messung der Vor- und Rücklauftemperatur
 

In Abbildung 2 ist die Vor- und Rücklauftemperatur der Heizung am 7. Oktober 2024 wiedergegeben. An diesem Tag wurde von 06:00 bis 10:00 Uhr und dann wieder von 18:00 bis 22:00 Uhr geheizt. Die Heizung war dem entsprechend abends von 22:00 Uhr bis zum nächsten Morgen um 06:00 Uhr und von 10:00 Uhr bis 18:00 Uhr abgeschaltet.  Die Raumlufttemperatur in allen Räumen war zwischen 21°C (morgens) und 22°C (nachmittags bis zum späten Abend). Die Vorlauftemperatur war an diesem Tag etwa 36 °C. Vorlauf und Rücklauf unterscheiden sich etwa um 2 K. Die mittlere Lufttemperatur für Darmstadt ist für diesen Tag vom DWD mit 14,8 °C angegeben.

Abbildung 2: Vorlauf (rot) und Rücklauftemperatur (blau) der Heizung sowie die Raumlufttemperatur (grün) am 07. Oktober 2024
 

Während der Messungen war der 20. 01. 2024 der kälteste Tag mit T_max: -3,5 °C, T_mittel:  -5,5 °C und T_min: -9,5 °C.  An diesem Tag war die Vorlauftemperatur 52 °C und der Rücklauf 36 °C (siehe Abbildung 3). Auch an diesem Tag war die Heizung von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr abgeschaltet. Tagsüber ist die Heizung durchgelaufen. Die Mittlere Raumlufttemperatur am frühen Morgen war 20 °C, als die Heizung um 06:00 Uhr angesprungen ist. Tagsüber, bis zum späten Abend war die Lufttemperatur 21°C + 0,5 °C. 

Abbildung 3: Vorlauf (rot) und Rücklauftemperatur (blau) der Heizung am 20. Januar 2024 sowie die Raumlufttemperatur (grau).
 

Diese Messungen wurden an diesem Objekt bei verschiedenen Lufttemperaturen außen durchgeführt und In Abbildung 4 die gemessenen Vorlauf- und Rücklauftemperaturen gegen die korrespondierenden Differenzen T_21°C – T_aussen (Lufttemperatur innen 21°C minus Lufttemperatur außen) aufgetragen.

Abbildung 4: Vorlauftemperaturen (rot) und Rücklauftemperaturen (blau) bei
unterschiedlichen Lufttemperaturen außen einer Heizungsanlage
 

Die Messpunkte in Abbildung 4, die der Vorlauftemperatur in Abhängigkeit der Differenz zwischen der Lufttemperatur innen und außen entsprechen, konnten mit der Gleichung für die Heizkennlinie mit einem Niveau von N=0 und einer Steigung von S=18, mit einer Exponenten k<1 nicht verbunden werden.

Der experimentell ermittelte Kurvenverlauf entspricht einer Exponentialfunktion, die weitere Parameter enthalten muss, als die vereinfachte Gleichung für die Heizkennlinie oben.

Die Differenz zwischen der Vor- und Rücklauftemperatur ist ein Indiz für den Heizenergieverbrauch, der weiter untersucht wird, um die Effizienz der Einstellungen des Niveaus und Steigung der Heizkennlinie zu beurteilen.

Zusammenfassung:

• Die “einfache“ Gleichung der Heizkennlinie, mit den zwei Parametern „Niveau“ und „Steigung“ ist für die Erklärung des Prinzips der Einstellung der Vorlauftemperatur geeignet.
   
• Mit dieser „einfachen“ Gleichung kann für eine bestimmte Lufttemperatur außen die Vorlauftemperatur der Heizung nicht berechnet werden.
   
• Für die Einstellung der Vorlauftemperatur ist die gerätespezifische Gleichung für die Heizkennlinie nicht notwendig.
   
• Die Vorlauftemperatur kann mittels iterativen Änderns des Niveaus und Steigung, auch ohne Kenntnis der Heizkennlinie der Heizung so eingestellt werden, dass bei möglichst geringer Vorlauftemperatur über die Heizperiode alle Räume eine komfortable Raumtemperatur haben.