Wasserstoff als Stromspeicher für PV-Anlagen im Wohnungsbau
Dr. Engin Bagda
Einleitung
Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) an Wohngebäuden liefern allgemein im Sommer mehr Strom, als gebraucht wird. Im Winter hingegen reicht der Stromertrag für den Stromverbrauch nicht aus. Das Speichern von Strom in Batterien im Sommer, zum Nutzen im Winter, ist im Regelfall nicht wirtschaftlich. Eine Möglichkeit größere Mengen Energie über längere Zeiträume zu speichern und bei Bedarf abzurufen bietet Wasserstoff. Wasserstoff kann mit Strom einer PV-Anlage durch Elektrolyse hergestellt, in Gasflaschen gespeichert und bei Bedarf in einer Brennstoffzelle zum Erzeugen von Strom genutzt werden.
Elektrolyse von Wasser mit dem PEM-Verfahren
Mit Strom kann Wasser H2O in Wasserstoff H2 und Sauerstoff O2 gespalten werden. Dieser Vorgang wird Elektrolyse genannt. Wird der Strom für die Elektrolyse mit regenerativer Energie, zum Beispiel mit PV-Anlagen gewonnen, wird dieser als „grüner“ Wasserstoff bezeichnet.
Für die Elektrolyse im kleineren Maßstab, wie zum Beispiel für Wohnanlagen, wird das Proton Exchange Membran Verfahren (PEM-Verfahren) eingesetzt. Beim PEM-Verfahren sind die Elektroden (die Anode und die Kathode) mit einer Protonen (H+-Ionen) durchlässigen Membrane aus Kunststoff getrennt (siehe Abbildung 1). Für das PEM-Verfahren wird Wasser mit hoher Reinheit gebraucht. Hierfür kann Leitungswasser durch Ionenaustauscher gereinigt werden.
Abbildung 1. Elektrolyse von Wasser mit dem PEM-verfahren aus
https://prozesstechnik.industrie.de/chemie/verfahren-chemie/gruener-wasserstoff-ist-das-herzstueck-von-power-to-x/
Im Regelfall wird im Sommer Wasserstoff produziert, wenn überschüssiger PV-Strom vorhanden ist. Im Winter wird der PEM Elektrolyseur im Stand by Modus in Intervallen mit geringem Strom betrieben, damit die Protonen Exchange Membrane nicht trocknet.
Zur Produktion von 1 kg Wasserstoff werden ca. 45 kWh Strom gebraucht. Wasserstoff hat einen Energieinhalt von 33,3 kWhLHV/kg H2 ( LHV: Lower Heating Value). Damit ist der Wirkungsgrad des Elektrolyseurs zwischen 60% und 70%. Der Rest des Stroms wird, bedingt durch die inneren Wiederstände im Elektrolyseur und der Prozessverluste, in Wärme umgewandelt. Diese Wärme muss abgeführt werden, damit der Elektrolyseur sich nicht soweit erwärmt, dass die Membrane geschädigt wird. Die bei der Elektrolyse entstehende Wärme kann zur Warmwasserzubereitung und/oder für das Beheizen von Räumen genutzt werden.
Mit dem PEM-Verfahren kannn Wasserstoff mit einem Druck zwischen 1 bar und 30 bar erzeuget werden. Je höher der Druck, umso geringer der Wirkungsgrad der Elektrolyseanlage, da für den Druckaufbau, durch elektrochemische Kompression, Energie benötigt wird.
Speichern von Wasserstoff
Wasserstoff wird unter Druck in dafür zugelassenen Stahlflaschen gespeichert. Die gespeicherte Energie hängt vom Druck des Wasserstoffs ab. Der Inhalt an Wasserstoff und Energie (LHV) einer 50 Liter Stahlflasche ist in Tabelle 1 nach dem Fülldruck gegeben.
Druck | Inhalt in kg | Inhalt |
1 bar | 0,0045 kg | 0,15 kWhLHV |
200 bar | 0,900 kg | 30 kWhLHV |
Tabelle 1: Inhalt einer Wasserstoffflasche mit einem Volumen von 50 Liter bei verschiedenen Drucken
Demnach ist der Energieinhalt eines Bündels von 3x4 Flaschen, mit einem Inhalt von je 50 Liter Wasserstoff mit einem Druck von 200 bar, 360 kWhLHV. Ein Bündel von 3x4 Flaschen à 50 Liter Inhalt, hat einen Platzbedarf von etwa 100 cm x 77 cm, der in etwa der Fläche einer Europalette von 120 cm x 80 cm entspricht (siehe https://www.linde-gas.de/shop/de/de-ig/clean-energy-und-wasserstoff ).
Bezogen auf das Objekt und die Nutzung ist zu entscheiden, wie viele Flaschen mit welchem Volumen und maximalem Wasserstoffdruck verwendet werden sollen.
Wasserstoff ist brennbar, weshalb für das Speichern von Wasserstoff Regelwerke zu beachten sind. Dieses gilt auch für die gesamte Anlage, in der Wasserstoff gasförmig zirkuliert.
Brennstoffzelle
In der Brennstoffzelle wird mit Wasserstoff Strom und Wärme erzeugt. Hierfür werden in der Brennstoffzelle an der Anode dem Wasserstoff Elektronen entzogen. Es entstehen Protonen (Wasserstoff H+). Diese wandern durch die Protonendurchlässige Membrane zur Kathode. An der Kathode verbinden sie sich mit dem negativ geladenen Sauerstoff der Luft zu Wasser. Damit entsteht zwischen Anode und Kathode eine elektrische Spannung. Werden Anode und Kathode miteinander verbunden, fließt Strom von der Anode zur Kathode (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2: Schematische Darstellung einer Brennstoffzelle aus Brennstoffzellen-Technik für KWK & Antrieb (energie-experten.org)
Die Ausbeute an Strom einer Brennstoffzelle beträgt in der Praxis, bezogen auf den Heizwert von Wasserstoff (LHV), 60 % bis 70 %. Damit kann mit 1 kg Wasserstoff etwa 22 kWh Strom erzeugt werden. Der Rest von 11 kWh pro kg Wasserstoff ist Wärme.
Wärme
Die in der Brennstoffzelle bei der Verbindung von Wasserstoff mit dem Sauerstoff zu Wasser entstehende Wärme entspricht dem Verlust an Stromausbeute der Brennstoffzelle. Diese beträgt 30 % bis 40 %. Diese Wärme muss abgeführt werden, damit sich die Brennstoffzelle nicht über eine bestimmte Temperatur aufheizt. Diese Temperatur ist von der Protonen durchlässigen Membrane und der Technologie der Brennstoffzelle abhängig und beträgt im Allgemeinen etwa 80°C. (siehe https://www.proton-motor.de/produkte/brennstoffzellen-stacks/funktionsweise-brennstoffzelle/ )
Die Wärme, die in der Brennstoffzelle entsteht, wird im Regelfall im Gebäude zur Warmwasserzubereitung, zum Aufwärmen der Räume mit Warmluft und/oder zum Anheben des unteren Temperaturniveaus der Wärmepumpe genutzt.
Wärmepumpe
Der mit einer Brennstoffzelle erzeugte Strom ist insbesondere dann wirtschaftlich, wenn dieser zum Beheizen des Gebäudes mit einer Wärmepumpe genutzt wird. Der hierfür notwendige Wasserstoff kann im Sommer mit dem überschüssigen Strom der PV-Anlage durch Elektrolyse gewonnen werden. Wärmepumpen erzeugen mit 1 kWh Strom etwa 4 kWh Wärme (Jahresarbeitszahl) (siehe Lohnt sich eine Wärmepumpe). Damit erhöht sich der Wirkungsgrad des Systems, bestehend aus PV-Anlage, PEM Elektrolyseur, PEM Brennstoffzelle und Wärmepumpe auf über 100% (bezogen auf den erzeugten Strom der PV-Anlage) .
Fallbeispiel
Berechnet wird der PV-Stromertrag eines Gebäudes mit einem Giebeldach mit einer Dachfläche von 120 m2. Davon sind 60 m2 ausgerichtet nach Osten und 60 m2 ausgerichtet nach Westen. Diese sind zu 60 % mit PV-Modulen mit einer Leistung von 205 WPeak/m2 belegt. Damit wären auf jeder Dachfläche 36 m2 PV-Module mit einer Leistung von 7,4 kWPeak installiert. Die Gesamtleistung der PV-Anlage wäre 14,8 kWPeak
In Abbildung 3 ist der Stromertrag dieser PV-Anlage in Darmstadt für eine Dachneigung von 30° mit dem Solarrechner Solarrechner berechnet, wobei als Systemverluste dieser PV-Anlage mit Batterie 15% angenommen wurden. Als Stromverbrauch für den Haushalt werden 8 kWh/Tag (3000 kWh/Jahr) angesetzt.
Abbildung 3: Stromertrag einer PV-Anlage mit 72 m2 in Darmstadt, je zur Hälfte in Ost- und West-Ausrichtung, Dachneigung 30°, rote Linie täglicher Stromverrauch
Aus Abbildung 3 ist zu sehen, dass der PV-Strom von Februar bis November für den Haushalt ausreichend ist. In dieser Zeit ist der Haushalt weitgehend vom Stromnetz unabhängig, das heißt autark. Die täglichen Schwankungen an Stromertrag und Stromverbrauch werden von der Batterie mit einer Kapazität von 8 kWh abgefangen (siehe: PV-Anlage mit Batterie und Energiemanager).
Der Strombedarf dieses Haushaltes ist von November bis Februar weniger als 100 kWh. Für diesen Strombedarf im Winter wäre das Speichern der Sonnenergie im Sommer in Form von Wasserstoff nicht sinnvoll. Die Investition würde in keinem Verhältnis zum Strombedarf aus dem Netz stehen.
Wann würde sich Wasserstoff als Speicher lohnen?
Als Beispiel wird berechnet, in wie weit der PV-Stromertrag in Abbildung 3 zum Beheizen eines freistehenden Gebäudes Baujahr 2022, mit zwei Stockwerken und 200 m2 beheizter Grundfläche, genutzt werden kann. Für dieses Gebäude wird mit dem Heizkostenrechner ein Heizenergiebedarf von 14.500 kWhthermisch/Heizperiode ermittelt (Heizung mit einem Brennwertkessel, Fensteranteil 25%, Raumlufttemperatur 21,5°C, Raumhöhe 2,5 m, Standort Darmstadt).
Wird dieses Gebäude mit einer Wärmepumpe (Jahresarbeitszahl 4) beheizt, so sind 3650 kWh Strom in der Heizperiode notwendig (siehe: Lohnt-sich-eine-waermepumpe ). In Abbildung 4 ist der tägliche Strombedarf für die Wärmepumpe während der Heizperiode von Oktober bis April graphisch dargestellt.
Abbildung 4: Strombedarf für die Wärmepumpe zum Beheizen des Gebäudes, in Darmstadt als Beispiel wie im Text erläutert
In Abildung 5 ist der täglich erzeugte PV-Stromertrag als blaue Kurve gezeichnet. Die graue Kurve ist der PV-Stromertrag abzüglich des Stombedarfs für den Haushalt (8 kWh/Tag). Die orange Kurve ist der verbleibende PV-Strom, nach dem auch der Strombedarf für die Wärmepumpe subtrahiert wird.
Abbildung 5: Täglicher PV-Stromertrag, abzüglich Haushaltsstrom mit 8 kWh/Tag, Abzüglich Heizbedarf Wärmepumpe mit Jahresarbeitszahl 4 für Darmstadt
Ist die orange Kurve unter der roten Nulllinie, so reicht der PV-Strom nicht für die Wärmepumpe aus und es muss Strom vom Netzt für die Heizung und den Haushalt bezogen werden. Nach der Berechnung für Abbildung 5 ist das, für den Zeitraum vom 30. Oktober bis zum 1. März ein Strombedarf von 2525 kWh.
Diese 2525 kWh Strom vom Netz im Winter können durch den Wasserstoff, der im Sommer mit dem überschüssigen Strom der PV-Anlage hergestellt wurde, kompensiert werden.
Die PV-Anlage, deren Stromertrag in Abbildung 3 dargestellt ist, erzeugt im Sommer etwa 11.000 kWh überschüssigen Strom, der im Haushalt nicht verbraucht wird. Mit diesem Strom könnten ca. 220 kg Wasserstoff hergestellt werden (Annahme 50 kWh Strom für 1 kg Wasserstoff). Damit können im Winter mit der Brennstoffzelle 4800 kWh Strom und 2400 kWh Wärme erzeugt werden. Das ist fast doppelt so viel, wie in der Heizperiode für diesen Haushalt gebraucht wird. Der überschüssige Strom könnte für ein E-Auto genutzt werden.
Zum Herstellen von 2525 kWh Strom mit einer Brennstoffzelle mit einem Wirkungsgrad von 66% werden etwa 3825 kWhLHV Wasserstoff benötigt. Das wären 127 Stahlflaschen mit 50 Liter Inhalt, gefüllt mit Wasserstoff mit einem Druck von 200 bar. Mit diesem Speicher wäre das Gebäude rechnerisch über das ganze Jahr Energieautark.
Beispiele aus der Praxis
In https://www.homepowersolutions.de wird mit der Bezeichnung “picea” eine Komplettanlage zum Herstellen von Wasserstoff und zum Nutzen dieser mit einer Brennstoffzelle für das energieautarke Wohnen angeboten. Hier werden im Durchschnitt 32 Flaschen a 50 Liter mit Wasserstoff zur autarken Energieversorgung eines Hauses genannt. Das wären etwa 1000 kWhLHV, mit der etwa 700 kWh Strom mit einer Brennstoffzelle erzeugt werden kann.
In einem weiteren Erfahrungsbericht wird für das picea-System für den Betrieb eines Hauses und die Ladung zweier E-Autos eine Strombedarf von 1200 kWh genannt (siehe: https://www.youtube.com/watch?v=ks1ha_oShL4 ). Hierfür wären 48 – 60 Flaschen à 50 Liter Wasserstoff mit einem Druck von 300 bar notwendig .
Ein mit der picea-Technik realisiertes Zweifamilienhaus https://www.energie-experten.org/projekte/mit-solarenergie-zum-wasserstoffhaus-in-isny war über den Winter 2021/22, nach den Aussagen des Inhabers, bis auf 500 kWh, im Energieverbrauch in Strom für Haushalt und Heizung Autark vom Netz. Es ist geplant diese Anlage 2023 energetisch zu verfolgen.
Ziel ist es, den hier vorgestellten rechnerischen Ansatz zu validieren. Mit diesem rechnerischen Ansatz kann in Abhängigkeit des Strombedarfs für den Haushalt sowie für die Heizung, in Verbindung mit dem PV-Stromertrag, konkretere Aussagen zum Speicherbedarf getroffen und die Autarkie des Gebäudes vom Netz abgeschätzt werden.
Zusammenfassung
- Im Sommer kann mit dem überschüssigen Strom einer PV-Anlage durch Elektrolyse von Wasser Wasserstoff hergestellt werden.
- Wasserstoff kann in Stahlflaschen unter Druck als Energieträger gespeichert werden.
- Wasserstoff ist ein Energieträger, mit dem in einer Brennstoffzelle Strom erzeugt werden kann.
- Mit dem Strom der Brennstoffzelle kann ein Haushalt während der Heizperiode mit Strom und Warmwasser versorgt und mit einer Wärmepumpe beheizt werden.
- Der Speicherbedarf für den Wasserstoff ist unter Berücksichtigung des Stromverbrauchs des Haushaltes, dem Stromertrag der PV-Anlage und des Energiebedarfs zum Heizen mit einer Wärmepumpe, entsprechend den baulichen Gegebenheiten, zu berechnen.
Ausblick
Mit einer PV-Anlage, einem Elektrolyseur, mehreren Bündeln von Stahlflaschen als Speicher für Wassersoff, einer Brennstoffzelle sowie einer Wärmepumpe kann ein Haushalt über das ganze Jahr Autark vom Stromnetz sein. Diese wird in den nächsten Jahren unter ökonomischen Gesichtspunkten nicht “wirtschaftlich” sein. So eine Anlage ist eine Investition für die Zukunft und zur Autarkie vom Energiemarkt. Es ist etwas für Idealisten, die bei dieser Entwicklung an vordersten Front dabei sein möchten. Dazu möchte www.heizen-co2-sparen.de mit wissenschaftlichen und transparenten Untersuchungen seinen Beitrag leisten, in dem der Stromertrag und Stromverbauch von Haushalten mit Wasserstoff-Anlagen ausgewertet werden. Interessenten melden sich bitte bei engin.bagda@gmx.de .