Heizen – CO2 – Sparen
© by Dr. Engin Bagda

Vorlauftemperatur - Heizkennlinie

Dr. Engin Bagda

 29. Januar 2025

 Einführung

Die Raumtemperatur ist von der Vorlauftemperatur der Heizung abhängig. Mit steigender Vorlauftemperatur nimmt die Effizienz beziehungsweise der Wirkungsgrad einer Heizung ab. Deshalb sollte für die gewünschte Raumtemperatur die Vorlauftemperatur so niedrig wie möglich sein.

Die Vorlauftemperatur von Brennwert Heizungen und Wärmepumpen wird in Abhängigkeit der Lufttemperatur außen mit der Heizkennlinie geregelt. Die Heizkennlinie ist werkseitig vom Hersteller des Heizkessels oder der Wärmepumpe so eingestellt, dass möglichst bei allen Wetterbedingungen ausreichend Wärme in die Räume abgegeben wird. Das kann aber dazu führen, dass die Heizung zu hohe Vorlauftemperaturen hat.

Bei einer optimalen Heizkennlinie ist die Vorlauftemperatur so eingestellt, dass sie möglichst wenig mit den Thermostaten runtergeregelt werden muss. Das ist möglich, indem die Heizkennlinie entsprechend den Gegebenheiten des Gebäudes und den Bedürfnissen der Nutzer der Räume eingestellt wird. Hierzu sind im Internet mit den Stichwörtern „Heizkennlinie Einstellen“ und „Vorlauftemperatur einstellen“ Hinweise gegeben.

In diesem Aufsatz wird an einem Fallbeispiel die Heizkennlinie und die sich mit der Lufttemperatur außen einstellenden Vorlauftemperaturen erklärt, auf mögliche Einspareffekte hingewiesen.

Zusammenfassung:

Die Vorlauftemperatur kann mittels des schrittweisen Änderns der Solltemperatur und der Steigung, auch ohne Kenntnis der Heizkennlinie der Heizung, so eingestellt werden, dass bei möglichst geringer Vorlauftemperatur über die Heizperiode alle Räume eine komfortable Raumtemperatur haben.

Die Einstellung der Steigung sollte bei Temperaturen außen unter 5 °C erfolgen.

Die Einstellung der Solltemperatur sollte bei Lufttemperaturen außen über 10°C erfolgen. Bei einigen Heizungen wird die Solltemperatur über das Niveau geregelt, das im Allgemeinen auf 20°C aufaddiert oder subtrahiert wird.

Jede Einstellung sollte mit Datum, und Lufttemperatur innen und außen dokumentiert werden, damit bei unterschreiten der Komforttemperatur des Raumes die Einstellungen revidiert werden können.

Nach jeder Einstellung sollte etwa eine Woche gewartet werden bis die thermische Masse des Gebäudes in die neue Einstellung, in Abhängigkeit des Wetters, eingeschwungen ist.

Heizkennlinie

Die Heizkennlinie, auch Heizkurve genannt, zeichnet die Abhängigkeit der Vorlauftemperatur von der Lufttemperatur außen ab (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Heizkennlinien mit unterschiedlichen Steigungen S und Solltemperaturen Tsoll

Wird die Solltemperatur Tsoll verändert findet eine Parallel-Verschiebung der Vorlauftemperatur mit der sich verändernden Lufttemperatur außen statt. Tsoll ist die Raumtemperatur die gewünscht ist. In Abbildung 1 ist die blaue Linie mit Tsoll: 20°C und die grüne Linie mit Tsoll: 18°C berechnet. Beide haben eine Steigung von S:1,8.

Die Wärmeverluste eines Gebäudes sind proportional der Differenz der Temperatur des Raumes und der Lufttemperatur außen Tsoll-Taußen.

Wird die Steigung S reduziert, steigt die Vorlauftemperatur mit abnehmender Lufttemperatur langsamer und umgekehrt. In Abbildung 1 hat die blaue Linie eine Steigung von 1,8 und die rote Linie eine Steigung von 1,2.

Erklärung zur Theorie der Berechnung der Heizkennlinie siehe Anhang 1.

Einstellung der Heizkennlinie

Bei der iterativen Methode wird je nach Lufttemperatur außen entweder die Steigung oder die Solltemperatur schrittweise gesenkt und etwa eine Woche abgewartet, ob die Komforttemperatur der Räume beibehalten wurde. Diese Wartedauer über mehrere Tage ist notwendig, da Gebäude thermisch träge sind und es relativ lange dauert, bis die Raumtemperatur in Abhängigkeit des Wetters eingependelt ist. Dieser Vorgang wird so lange wiederholt, bis sich die Wohnung „klamm“ oder zu kalt anfühlt. In diesem Fall wird die vorhergehende Einstellung gewählt. Dieser Vorgang muss gegebenenfalls im Laufe der Heizperiode wiederholt werden, wenn sich die Wetterbedingungen ändern.

Bei Lufttemperaturen außen unter 5 °C sollte die Steigung, und bei Lufttemperaturen außen über 10 °C die Solltemperatur Tsoll beziehungsweise das Niveau eingestellt werden.

Wird die Solltemperatur beziehungsweise das Niveau bei Lufttemperaturen außen unter 5 °C reduziert, kann es vorkommen, dass in der Übergangszeit, bei Lufttempertaturen außen über 10 °C die gewünschte Raumtemperatur Tsoll nicht erreicht wird (Überschneidung der grünen und roten Linie in Abbildung 1). 

Vorlauf – Rücklauf aus der Praxis

Zum experimentellen Nachstellen der Heizkennlinie wurden im 5-Minuten Takt die Vorlauf- und Rücklauftemperaturen einer Brennwert-Gastherme sowie die Lufttemperatur außen gemessen und in Abbildung 2 wiedergegeben. Wie erwartet, fällt mit steigender Lufttemperatur außen die Vorlauftemperatur und diesem Folgt die Rücklauftemperatur. Die Differenz zwischen der Vorlauf- und der Rücklauftemperatur, die Spreizung, entspricht der Wärmeabgabe in den Raum und damit dem Gasverbrauch.

Die „Täler“ der Temperatur von Vorlauf und Rücklauf resultieren aus der Nachtabsenkung von 22:00 bis 06:00 Uhr am nächsten Morgen.

In den Nächten mit Lufttemperaturen außen unter 0°C findet während der Nachtabsenkung eine kurze Aufheizung der Vorlauftemperatur statt.

Die „Zacken“ der Vorlauftemperatur nach oben und zur selben Zeit der Rücklauftemperatur nach unten sind bedingt für das Aufheizen des Warmwasserbehälters.

Die Lufttemperatur wurde am Objekt gemessen und diese mit der normativ gemessenen Lufttemperatur der Luftmessstation Darmstadt (DA Luft) verglichen. An sonnigen Tagen, überwiegend zur Mittagszeit, ist die am Objekt gemessene Lufttemperatur außen höher als die gemessene an der Luftmessstelle Darmstadt.  Bei den Auswertungen unten wurden die am Objekt gemessenen Lufttemperaturen außen verwendet.

Abbildung 2: Vorlauf, Rücklauf Temperaturen einer Gastherme sowie die Lufttemperatur außen im Zeitraum vom 03.091.2025 bis 13.01.2025.
Luft außen: Am Objekt gemessen. Erhöhungen der Temperaturen am Objekt bedingt durch solare Einstrahlung

Luft DA: Messwerte der Luftmessstation Darmstadt.
 

Die in Abbildung 2 dargestellten Vorlauftemperaturen der Heizung zwischen 08:00 und 22:00 Uhr wurden in Abbildung 3 in Abhängigkeit der Lufttemperatur außen aufgetragen.  Die roten und blauen Punkte sind für Messungen zu unterschiedlichen Tageszeiten, die folgend erklärt werden.

Abbildung 3: Vorlauf- und Rücklauftemperaturen in Abhängigkeit der Lufttemperatur außen im Zeitraum vom 03.11.2025 bis 13.01.2025, ohne Zeiten der Nachtabsenkung

Ergebnisse aus Abbildung 3

Die Vorlauftemperaturen streuen bei gleichen Lufttemperaturen außen bis zu 15 K. Das zeigt die Komplexität der Heizkennlinie in der Praxis. Deshalb ist eine iterative Einstellung der Heizkennlinie in kleinen, dokumentierten Schritten der Steigung und Solltemperatur (Niveau) zu empfehlen (siehe Formblatt Anhang 3).

Die an der Heizung eingestellte Heizkennlinie hat eine Steigung von 1,8. Mit diesem Wert ist die blaue Heizkennlinie in Abbildung 1 berechnet. Diese blaue Heizkennlinie entspricht ziemlich genau der gelben Trendlinie in Abbildung 3. Die gelbe, experimentell ermittelte Trendlinie der Praxis hat jedoch eine Steigung von 1.  

Die roten Punkte, kumuliert über der Trendlinie, wurden zwischen 10:00 und 16:59 Uhr gemessen.  In diesem Zeitraum findet ein solarer Eintrag, unterschiedlicher Intensität statt.

Die blauen Punkte, kumuliert unter der Trendlinie, wurden zwischen 07:00 und 9:59 Uhr sowie zwischen 17:00 bis 22:00 Uhr gemessen.  In diesem Zeitraum war ein geringer und nachts kein solarer Eintrag.

Der Grund dieses Unterschiedes der Vorlauftemperatur, bei gleicher Lufttemperatur außen zwischen Tag und Nacht, konnte nicht geklärt werden. Das zeigt, dass weitere Parameter die Heizkennlinie beeinflussen.

Die unter den kumulierten Messpunkten gemessenen Vorlauftemperaturen sind die Zeiten, in denen das Warmwasser erwärmt wurde.

Vorlauftemperatur - Rücklauftemperatur  

Der Heizwärmeverbrauch ist abhängig von der Differenz zwischen der Vorlauf- und Rücklauftemperatur. Diese ist für dieses Gebäude für den Zeitraum vom 03. Bis zum 13. Januar 2025 in Abhängigkeit der Lufttemperatur außen in Abbildung 4 dargestellt.

Abbildung 4: Differenz der Vorlauf- und Rücklauftemperaturen in Abhängigkeit der Lufttemperatur außen im Zeitraum vom 03.11.2025 bis 13.01.2025, ohne Zeiten der Nachtabsenkung

Ergebnisse aus Abbildung 4

Mit fallender Lufttemperatur außen steigt die Differenz zwischen der Vorlauf- und Rücklauftemperatur. Bei Lufttemperatur außen von 15 °C beträgt die Differenz 8 K. Bei Lufttemperaturen außen von -5 °C beträgt die Differenz 16 K. Damit ist die Steigung der Trendlinie der Punkteschar 0,5 K/K.

Die roten Punkte, kumuliert über der Trendlinie, wurden zwischen 10:00 und 16:59 Uhr gemessen. In diesem Zeitraum findet ein solarer Eintrag, unterschiedlicher Intensität statt.

Die blauen Punkte, kumuliert unter der Trendlinie, wurden zwischen 07:00 und 9:59 Uhr sowie zwischen 17:00 bis 22:00 Uhr gemessen.  In diesem Zeitraum war ein geringer und nachts kein solarer Eintrag.

Der Grund dieses Unterschiedes der Differenz zwischen der Vorlauf- und Rücklauftemperatur bei gleicher Lufttemperatur außen zwischen Tag und Nacht konnte nicht geklärt werden.

Gasverbrauch

Der Gasverbrauch des untersuchten Gebäudes in kWh/Tag ist in Abbildung 5 grafisch wiedergegeben. Hierfür wurden die Monatsmittelwerte des Gasverbrauchs gegen die Monatsmittelwerte der Lufttemperatur außen verwendet.

Abbildung 5: Tagesmittelwerte des monatlichen Gasverbrauchs in Abhängigkeit der Lufttemperatur außen im Zeitraum Oktober 2022 bis Dezember 2024

Der Gasverbrauch in Abbildung 5 kann, wie die Differenz zwischen der Vorlauf- und Rücklauftemperatur in Abbildung 4, als annähernd linear abhängig von der Lufttemperatur außen angenommen werden. Diese hat, bezogen auf die Lufttemperatur außen, eine Steigung von 10 kWh/Tag/K. Das bedeutet, dass pro °C fallender Lufttemperatur außen der Gasverbrauch um 10 kWh/Tag zunimmt. 

Die Steigung der Differenz zwischen Vorlauf- und Rücklauftemperatur und der damit verbundene Gasverbrauch in Abhängigkeit der Lufttemperatur außen, entspricht nach DIN 4108 Teil 6 dem Wärmekoeffizienten der Gebäudehülle mit der Dimension W/(Tag·K) wie in Energiebedarf Heizen nach DIN 4108-6 - Heizen-Kühlen-Sparen erklärt. 

Conclusio

Die Differenz zwischen Vorlauf- und Rücklauftemperatur entspricht dem Heizwärmeverbrauch. 

Wird die Vorlauftemperatur reduziert, wird die Rücklauftemperatur für die Beibehaltung der gewünschten Raumtemperatur fallen. 

Damit wird bei einer Brennwertheizung der Wirkungsgrad bis zu 5% erhöht und Heizwärme gespart (siehe Brennwertheizung-Wirkungsgrad - Heizen-Kühlen-Sparen ).

Bei einer Wärmepumpe ist das Einsparpotential höher, da die Leistungszahl einer Wärmepumpe mit fallender Vorlauftemperatur überproportional steigt (siehe Lohnt sich eine Wärmepumpe - Heizen-Kühlen-Sparen )

 

Ausblick

Bedingt durch die Streuung der Vorlauftemperatur in Abhängigkeit der Lufttemperatur außen, sollte die Heizkennlinie iterativ über eine Heizperiode in Abhängigkeit des Wetters eingestellt werden. Hierfür ist das Formblatt in Anhang 3 empfehlenswert. Siehe auch https://youtube.com/watch?v=og8BYN69UbM&si=70CeGb7BxjoIHbmc

 Anhang 1

Gleichung der Heizkennlinie

Die grundlegende Gleichung der Heizkennlinie, kann wie folgt formuliert werden:

TVorlauf = Tsoll + S ⋅ (Tsoll −Taußen)

TVorlauf: Temperatur des Vorlaufs das erreicht werden soll.

Tsoll: Ist eine Einstellung für die gewünschte Raumlufttemperatur. Diese muss gegebenenfalls höhergestellt, oder zum Einsparen von Heizenergie tiefer gestellt werden. Oft ist die Werkseinstellung der Heizungen Tsoll = 20 °C. Tsoll kann in manchen Heizungen direkt und bei manchen über das Niveau verändert werden, wobei das Niveau dann den voreingestellten 20°C aufaddiert oder subtrahiert wird:  Tsoll= 20 °C + Niveau. Bei der Werkeinstellung ist im Allgemeinen das Niveau N=0. 

S: Die Steigung der Heizkennlinie ist eine Variable die angibt, wie die Vorlauftemperatur mit der Differenz von (Tsoll - Taussen) steigt. Die Steigung ist proportional des Heizwärmeverbrauchs und diese abhängig von den Wärmeübergangszahlen der Gebäudehülle nach DIN 4108 Teil 6. Deswegen ist die Steigung der Heizkennlinie bei gut gedämmten Gebäuden geringer als bei älteren Gebäuden mit hohen Wärmeverlusten.

Taussen: Lufttemperatur außen, die mit einem Außenfühler gemessen und an die Heizung übermittelt wird.

k: Dieser Exponent berücksichtigt den, mit der Temperatur des Vorlaufs steigenden Wärmeübergang von Heizkörpern. k ist 1 oder kleiner als 1, wenn mit steigender Vorlauftemperatur die Heizkennlinie abflacht. Für die Zeichnung in Abbildung 1 wurde als k = 0,85 gewählt.

In dem hier untersuchten Fallbeispiel, im Temperaturbereich zwischen 15 °C und -5 °C, ist k=1. Damit ist das Verhältnis von Vorlauftemperatur zur Lufttemperatur außen linear, wie in Abbildung 3 zu sehen und beschrieben in https://www.ibp.fraunhofer.de/content/dam/ibp/ibp-neu/de/dokumente/ibpmitteilungen/1-400/201-300/245_IBPmitteilung.pdf.

Anhang 2

Messung der Temperaturen

Die Vorlauf- und Rücklauftemperatur einer Brötje Heizung, Typ: WGBB 2B.15, Baujahr 2005 wurde bei verschiedenen Lufttemperaturen außen gemessen. Im Display der Heizung war während der Messungen für das Niveau N=0, für die Steigung S=18 und für die Maximaltemperatur Tmax: 55°C angegeben.  Der Wärmeübergang im Zweifamilienhaus (2 Etagen) mit 220 m² beheizter Fläche, findet mit Flachheizkörpern statt, die konvektiv und durch Strahlung Wärme abgeben.

Die Messungen wurden mit einem Arduino durchgeführt. Die Temperaturen wurden mit Sensoren von Dallas Semiconductors DS 18BS20 gemessen. Die Temperatursensoren wurden an den Vorlauf und Rücklauf der Heizung angebracht und thermisch isoliert (siehe Abbildung 5).
 

Abbildung 6: Messung der Vorlauf- und Rücklauftemperatur

Anhang 3

Formblatt zur Dokumentation der Einstellungen

Jede Änderung des Niveaus N und Steigung S sollte dokumentiert werden, damit nachvollzogen werden kann, wann die Optimale Einstellung für die gesamte Heizperiode gefunden wurde. Dabei kann folgendes Formblatt helfen:

Datum

Zählerstand

Solltemperatur
(Niveau)

Steigung
S

Raum-temperatur

Lufttemperatur
außen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Wird der Zählerstand auch notiert, kann zum Ende der Heizperiode der Einspareffekt abgeschätzt werden (siehe Heizkosten, Überprüfen von Sparmaßnahmen - Heizen-Kühlen-Sparen )

 

Danksagung

an Dr. Milan Dlabal für die Bereitstellung der Messeinrichtung mit dem Arduino und den DS20B18.