Komfortklima mit Gardinen und Rollläden
Komfortabel beziehungsweise behaglich ist ein Raum, wenn es nicht zu kalt, nicht zu warm ist und es nicht „zieht“.
Unter dem Begriff „Ziehen“ werden zwei verschiedene Phänomene verstanden. Das eine ist ein „echter“ Luftzug, die unsere Haut als „kalt“ empfindet. Das andere resultiert aus dem Unterschied zwischen der Lufttemperatur und der Temperatur der Flächen im Raum. Diese Flächen können Außenwände, Fenster, Decke, Boden, Heizkörper oder ein Kamin sein.
Das was wir als „warm“ oder „kalt“ an unserer Haut empfinden, ist die Summe von Wärmeübergängen. Diese resultieren aus der Temperatur der Luft TLuft und der Strahlungswärme der Wände, Fenster, Decke usw (siehe Komfortklima, die gefühlte Raumtemperatur).
Befinden wir uns in einem Raum mit einer großen Fensterfläche, fühlen wir tagsüber bei Sonnenschein, dass der Raum zur Fensterseite warm ist. Das ist leicht zu erklären, da die Sonne scheint. Geht die Sonne unter und die Lufttemperatur außen fällt, wirkt diese Fensterfläche „kalt“, der Raum ist ungemütlich kühl, obwohl die Lufttemperatur die gleiche ist, wie tagsüber bei Sonnenschein. Der Grund ist, dass die Fensterfläche kälter ist als die Lufttemperatur und keine Wärme mehr abstrahlt. Nach der Berechnung am Ende dieser Seite ist zum Beispiel bei einer Lufttemperatur innen von 21 °C, die Temperatur an der Oberfläche der Fensterscheibe 18,3°C. Diese „kalte“ Fensterscheibe fühlen wir als „Zug“ was aber ein Defizit an Wärmestrahlung ist. In diesem Fall ist auch das Hochdrehen der Heizung nicht die Lösung, da die Fensteroberfläche immer noch kalt bleibt. Abhilfe schafft das Zuziehen der Gardinen und/oder das Schließen der Rollläden.
Was passiert beim Zuziehen der Gardinen?
In Abbildung 1 sind die Temperaturen zwischen einem Store (Gardine aus Tüll) und einem Fenster mit 3-fach Verglasung gezeichnet.
Abbildung 1: Temperaturen zwischen Store und Fenster sowie im Raum
Bei geschlossenem Store in der Nacht vom 09. auf den 10. Januar ist zwischen Fenster und Store die Lufttemperatur um 1°C geringer als im Raum.
In der nächsten Nacht vom 10. auf den 11. Januar wurden die Stores nicht geschlossen. Die Temperaturen an den beiden Messstellen unterscheiden sich dann nur noch um einige Zehntel °C um nach 06:00 Uhr, wenn die Heizung wieder läuft sich anzugleichen (Pfeil).
Der Unterschied im Kurvenverlauf über die beiden Nächte zeigt, dass auch ein Store bereits eine Wärmedämmende Wirkung hat, die einer Energieeinsparung von etwa 5% entspricht (Erklärung siehe unten „Physik der Wärmeverluste am Fenster“).
Bemerkung:
Heizkörper sind nicht besonders dekorativ und deshalb werden oft Store und Gardinen von der Decke bis zum Boden über die Heizkörper unter den Fensterbänken fallen gelassen. In diesem Fall kommt es zwischen Store und Fenster zu einem „Wärmestau“. <in diesem Fall steigt die Temperatur zwischen Store/Gardine und Fenster über die Lufttemperatur innen und der Wärmestrom durch die Fenster nimmt zu. Damit hat der Raum zwar auch eine Komforttemperatur aber der Energieverlust ist wesentlich höher, als wenn die Stores/Gardinen nicht zugezogen wären.
Der Store wird von der Raumluft durchströmt und hat (fast) die gleiche Temperatur wie die Luft innen. So strahlt der Store annähernd die gleiche Wärme aus wie die übrigen Flächen im Raum und reduziert damit das Strahlungsdefizit der kalten Fensteroberfläche. Deshalb machen Gardinen den Raum im Winter „gemütlich“ und es kommt zusätzlich zu einem Einspareffekt an Heizungskosten.
Was passiert beim runterlassen der Rollläden beziehungsweise schließen der Fensterläden?
An dem Fenster, an dem die Temperaturen in Abbildung 1 gemessen wurden, wurden auch die Temperaturen zwischen Rollladen und Fenster sowie die Lufttemperatur außen gemessen und in Abbildung 2 aufgetragen.
Abbildung 2: Temperaturen zwischen Jalousie und Fenster sowie der Luft außen von 09. Januar 2021 18:30 Uhr bis 11. Januar 2021 09:00 Uhr
Die Messung fing am 09. Januar um 18:30 Uhr an, nachdem der Rollladen herunter gelassen wurde. Aus Abbildung 2 ist zu sehen, dass die Luft zwischen Rollladen und Fenster etwa 4°C wärmer ist, als die Luft außen. Wenn der Rollladen am Morgen des 10. Januar gegen 07:00 Uhr hochgeht (erster Pfeil) gleichen sich beide Temperaturen an. Gegen Mittag bei vollem Sonnenschein steigen die Temperaturen um am Nachmittag wieder parallel abzukühlen. Um 20:00 Uhr geht der Rollladen wieder runter und zwischen Rollladen und Fenster ist die Temperatur wieder etwa 4°C wärmer als die Lufttemperatur außen. Das entspricht einer Wärmedämmung mit den Rollläden von 25% (siehe unten "Physik der Wärmeverluste").
Der Grund dieser Wärmedämmung ist, dass beim Schließen der Rollläden zwischen dem Fenster und der Luft außen eine Barriere zum Wärmeaustausch entsteht. Deshalb dienen Rollläden zur Verminderung der Wärmeverluste im Winter.
Zur Physik der Wärmeverluste
Der Wärmestrom durch ein Bauteil in diesem Fall durch Fenster zwischen der Luft innen und der Luft außen ist mit Gleichung 1 gegeben
qFenster = (TLuft außen – TLuft innen)·UF [W/m2] (1)
qFenster : Wärmestrom durch das Fenster in W/m2
T : Temperatur in °C
UF : Wärmedurchgangskoeffizient vom Fenster in W/(m2·°C)
Nach Abbildung 1 und 2 sind vom 09. auf den 10. Januar um 00:00 Uhr Lufttemperaturen an der Verglasung innen und außen wie folgt:
TLuft außen : -4 °C
TLuft innen : 21 °C
TDifferenz : 25 °C
Für ein Fenster mit einem UF-Wert von 1 W/(m2·K) ist der Wärmestrom qFenster nach Gleichung 1:
qFenster = (21 +4 )·1 = 25 [W/m2]
Werden Rollladen und Store geschlossen ist die Lufttemperatur an der Verglasung:
Tzwischen Rolladen und Fenster : 0°C
Tzwischen Fenster und Store : 20 °C
TDifferenz : 20 °C
Nach Gleichung 1 ist der Wäremstrom qFenster mit Rollladen+Store in diesem Fall:
qFenster mit Rollladen+Store = (20 - 0 )·1 = 20 [W/m2]
Damit stellt sich eine Einsaprung von 25 % ein (siehe Gleichung 2):
Einsparung = (qFenster - qFenster mit Rollladen+Store)/ qFenster (2)
= (25 °C – 20 °C)/20 °C = 25 %
Für die Behaglichkeit ist die Oberflächentemperatur der Verglasung zum Raum von Bedeutung. Diese wird wie folgt berechnet:
Der Wärmestrom von der Luft innen an die Oberfläche der Verglasung innen qinnen Luft-Verglasung ist gleich groß wie der Wärmestrom durch die Verglasung von der Luft innen zur Luft nach außen qFenster (Gleichung 3).
qFenster = qinnen Luft-Verglasung [W/m2] (3)
Der Wärmestrom von der Luft an eine Oberfläche, in unserem Fall an die Oberfläche der Verglasung innen qinnen Luft-Verglasung ist proportional dem Wärmeübergangskoeffizienten h und der Temperaturdifferenz (Gleichung 4).
qinnen Luft-Verglasung = (TLuft innen - TOberfläche Verglasung innen) · hinnen [W/m2] (4)
Der normative Wärmeübergangskoeffizient für Innenräume hinnen ist 7,69 W/(m2·°C). Damit kann die Oberflächentemperatur der Verglasung innen berechnet werden (Gleichung 5).
qFenster = qinnen Luft-Verglasung = (TLuft innen – TOberfläche Verglasung innen) · hinnen
25 = (21 – TOberfläche Verglasung innen) · 7,69 (5)
Aus Gleichung 5 wird Gleichung 6 abgeleitet und TOberfläche Verglasung innen berechnet.
TOberfläche Verglasung innen = 21 - (25/7,69) = 18,3 °C [°C] (6)
Weitere Informationen siehe Energiebedarf Heizen
Experimentelles
Alle Messungen wurden mit digitalen Temperatursensoren Typ DS18S20 im 5-Minutentakt durchgeführt. Die Temperatursensoren sind schwarz und heizen sich bei Sonneneinstrahlung auf. Deshalb sind am 10. Januar über Mittag die Temperaturen der Temperatursensoren innen nahezu 30 °C und außen nahe 20°C was nicht der Temperatur der jeweiligen Lufttemperatur entspricht. Temperatursensoren sollten immer mit einer metallisch blanken Hülle, gut durchlüftet, gegen Wärmestrahlung in diesem Fall Sonnenstrahlung abgeschirmt werden.
Die Messdaten wurden mit einem Arduino Uno gespeichert und die generierten Textdateien über Excel ausgewertet.